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Freitag, 23. November 2012

Karriere in der dritten Welt


Du bist sehr beschäftigt und hast keine Zeit.
Alles Unwesentlich sagst Du.
Jetzt aber störe Ich dich. Ich will dich provozieren.
Komm mit, Ich will dir den Weg der Ignoranz zeigen.

Unbequem sagst Du, aber schau hin sage Ich.
Siehst du dort im Staub am Straßenrand den Säugling liegen?
Dort liegt Er jeden Tag. Von morgens bis abends.
Siehe - seine Eltern schleppen Steine, sie müssen doch das Haus des reichen Mannes fertig bauen.

Es ist völlig in Ordnung, dass Du darüber schimpfst, dass dein Dachdecker zehn Minuten zu spät kommt, schließlich wird er ja für seine Arbeit bezahlt.

Siehe - die kurzen Momente der Pause in denen die Mutter sich ihrem Kind zuwendet.
Was geschieht mit der Liebe der Mutter? Sie sieht ihr Kind traurig an, kann aber den Hunger nicht stillen.
Und das Haus muss ja doch fertig werden.

Unangenehme Situation sagst Du, aber schau hin sage Ich.
Sieh mal, die Alte runzelige Frau, wie sie auf die Mutter zugeht. Hörst Du das Klimpern der Rupien in dem kleinen Beutel?
Die Mutter hört es.
Siehe - die Alte trägt den Säugling weg.
Verraten. Verkauft. Ein Menschenleben. Was war der Preis?
Schau hin, wie die Mutter das Geld zählt.
Siehe - ihr versteinertes Gesicht dabei.

Kein Problem dass Du dir gestern ein zweites Sparbuch angelegt hast.
Man braucht ja Altersrücklagen.


Warum beginnst Du zu schwitzen? Komm und schau.
Siehst du das kleine fünfjährige Mädchen? Schau wie gut sie betteln kann.
Ihr niedliches Gesichtchen erwärmt das Herz der Touristen.
Wie gekonnt Sie lächelt.
Aber siehe auch den leeren Blick.
Schau hin, wie sie geschlagen wird, weil der Beutel nur halb gefüllt ist. Welche Mühe sie den ganzen Tag auf der Straße hatte.
Wieder straft der leere Magen sie. Wieder strafen die schmerzenden Wunden sie.

Es ist schon in Ordnung was du alles wegwirfst, keiner schaust nach den Lebensmitteln in deiner Mülltonne, um zu sehen was dir mal wieder nicht geschmeckt hat.

Warum wandert dein Blick auf den Boden - komm schau wie Ich das Kind nach seinen Träumen frage.
Siehe auf ihr Gesicht wenn sie mir sagt, dass sie nur den Traum hat einmal zur Schule gehen zu dürfen. Wie bescheiden das doch klingt.
Siehst Du auch, dass das kleine Mädchen niemals auch nur in die Nähe einer Schule kommt?

Du brauchst dich nicht dafür zu schämen dass du oft keine Lust hattest zur Schule zu gehen. Von den ganzen geschwänzten Schultagen deiner Jugend weiß doch sowieso kaum einer.
Du hättest ja doch nicht mit dem Mädchen tauschen wollen.


Jetzt beginne nicht rumzudrucksen - schau hin sage Ich.
Siehst Du an der Ecke die junge Frau um die sechzehn. Hübsch ist sie immer noch.
Schau, wieder geht sie mit einem Mann in das Haus. Und wenn Sie nach einer Stunde dann hinaus kommt ist der nächste Teil ihres Herzens gebrochen. Zerstört
Siehe - das ist ihr Tag.
Dabei wollte Sie doch nur zur Schule gehen.
Wieder verraten und verkauft.

Ach hinterfrage dich doch nicht weil Du zum zehnten Mal deinen Partner gewechselt hast. Was sind den schon Werte, wenn es um das Vergnügen geht.
Für die Würde der jungen Frau an der Ecke ändert es ja doch nichts.


Warum willst Du weg? Schau ruhig noch ein wenig zu.
Siehst Du die Kranke dahinten im Staub liegen? Alle gehen an ihr vorbei. Siehe wie kraftlos sie ihren Arm hebt und um Hilfe bittet.
Schau dir den reichen Mann an der dahinten kommt.
Er tritt sie zur Seite und geht vorüber.
Ist es nicht einer von denen, die mit ihr damals ins Haus gingen?
Siehe - sie erhält keine Medikamente zur Linderung. Sie trägt den Schmerz.
Was soll Sie auch anderes tun?
Schau - der HIV saugt ihr langsam den Atem aus.

Du brauchst dich nicht zu übergeben - Du kannst doch nichts dafür dass Du mal wieder über die Beiträge deiner Pflichtkrankenversicherung klagst.

Du sagst, ich habe genug gesehen -
Ich sage Du hast erst genug gesehen, wenn Du verstehst, dass auch Du für das Leben des Säuglings mitverantwortlich bist.
Nicht erst am Grab einer unbekannten armen Frau.
Du sagst Du willst wegsehen -
Ich sage Du musst solange hinsehen, bis Du verstehst dass Du was tun musst!

Und Du kannst was tun!

Samstag, 17. November 2012

Bekanntschaft mit Frederick


Heute möchte Ich euch jemanden ganz besonderes vorstellen: Frederick.

Frederick ist ein äußerst guter Freund von mir - seine Bekanntschaft machte Ich schon einige Jahre voraus, doch leider verloren wir uns aus den Augen. Es gab so manche Situation, wo er mir zwar vage in den Gedanken herumspukte, aber weg war er trotzdem.
Dank überaus glücklicher Umstände trafen wir uns vergangene Woche wieder. Und ich muss sagen, genau zur richtigen Zeit.
Ihr müsst wissen, Frederick besaß nämlich immer schon die Gabe, das Leben der Menschen um ihn herum bunt zu malen. Er hat das Talent, dies mit den einfachsten Mitteln zu tun und dabei die Menschen glücklich zu machen.
Bewundernswert.
Wohltuend.
Aber auch nachahmenswert.

Frederick wurde 1967 geboren und kommt eigentlich aus Amerika und Italien.
Frederick ist recht unscheinbar, sehr klein, zwar besonnen aber körperlich auch nicht der Aktivste. Frederick ist wie eine graue Maus.
Vielleicht liegt es in Wahrheit aber daran, dass er eine ist - Eine graue Maus.

Letzte Woche viel mir durch Zufall wieder das Kinderbuch von Leo Lionni in die Hände, was Ich aus meiner eigenen Kinderzeit noch vage in Erinnerung hatte. Ein wunderschönes Buch, das uns daran erinnert, dass die Schönheit im Leben immer zu finden ist und über die Oberflächlichkeit der Gesellschaft siegen kann.

Damit ihr Frederick kennenlernt, möchte ich euch nun seine Geschichte erzählen.

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Frederick
(von Leo Lionni)

Rund um die Wiese herum, wo Kühe und Pferde grasten,
stand eine alte Steinmauer.
In dieser Mauer - nahe bei Scheuer und Kornspeicher -
wohnte eine Familie schwatzhafter Feldmäuse.

Aber die Bauern waren weggezogen, Scheuer und Kornspeicher standen leer.
Und weil bald Winter wurde, begannen die kleinen Feldmäuse Körner, Nüsse, Weizen und Stroh zu sammeln.
Alle Mäuse arbeiteten Tag und Nacht.
Alle - bis auf Frederick.
"Frederick, warum arbeitest Du nicht?", fragten sie.
"Ich arbeite doch", sagte Frederick, "Ich sammle Sonnenstrahlen für die kalten, dunklen Wintertage."
Und als sie Frederick so dasitzen sahen, wie er auf die Wiese starrte, sagten sie: "Und nun, Frederick, was machst Du jetzt?"
"Ich sammle Farben", sagte er nun, "denn der Winter ist grau."
Und einmal sah es so aus, als sei Frederick halb eingeschlafen.
"Träumst Du, Frederick?", fragten sie vorwurfsvoll.
"Aber nein", sagte er, "ich sammle Wörter. Es gibt viele lange Wintertage - und dann wissen wir nicht mehr, worüber wir sprechen sollen."

Als nun der Winter kam und der erste Schnee fiel,
zogen sich die fünf kleinen Feldmäuse in ihr Versteck zwischen den Steinen zurück.
In der ersten Zeit gab es noch viel zu essen und die Mäuse erzählten sich Geschichten über singende Füchse und tanzende Katzen.
Da war die Mäusefamilie ganz glücklich!
Aber nach und nach waren fast alle Nüsse und Beeren aufgeknabbert, das Stroh war alle und an Körner konnten sie sich kaum noch erinnern.
Es war auf einmal sehr kalt zwischen den Steinen der alten Mauer und keiner wollte sprechen.
Da fiel ihnen plötzlich ein, wie Frederick von Sonnenstrahlen, Farbe und Wörtern gesprochen hatte. "Frederick", riefen sie, "was machen deine Vorräte?"
"Macht die Augen zu", sagte Frederick und kletterte auf einen großen Stein.
"Jetzt schicke ich euch die Sonnenstrahlen. Fühlt Ihr schon, wie warm sie sind?
Warm, schön und golden?"
Und während Frederick so von den Sonnenstrahlen erzählte, wurde den vier Mäusen schon viel wärmer.
Ob das Fredericks Stimme gemacht hatte? Oder war es ein Zauber?
"Und was ist mit den Farben, Frederick?" fragten sie aufgeregt.
"Macht wieder die Augen zu", sagte Frederick.
Und als er von blauen Kornblumen und roten Mohnblumen im gelben Kornfeld und von grünen Blättern am Beerenbusch erzählte, da sahen sie die Farben so klar vor sich, als wären sie aufgemalt in ihren kleinen Mäuseköpfen.
"Und die Wörter, Frederick?"
Frederick räusperte sich, wartete einen Augenblick und dann sprach er wie von einer Bühne herab:

"Wer streut die Schneeflocken? Wer schmilzt das Eis?
Wer macht lautes Wetter? Wer macht es leis?
Wer bringt den Glücksklee im Juni heran?
Wer verdunkelt den Tag? Wer zündet die Mondlampe an?
Vier kleine Feldmäuse wie du und ich
wohnen im Himmel und denken an dich.
Die erste ist die Frühlingsmaus, die lässt den Regen lachen.
Als Maler hat die Sommermaus die Blumen bunt zu machen.
Die Herbstmaus schickt mit Nuss und Weizen schöne Grüße.
Pantoffeln braucht die Wintermaus für ihre kalten Füße.
Frühling, Sommer, Herbst und Winter sind vier Jahreszeiten.
Keine weniger und keine mehr. Vier verschiedene Fröhlichkeiten."


Als Frederick aufgehört hatte, klatschten alle und riefen: "Frederick, du bist ja ein Dichter!"
Frederick wurde rot, verbeugte sich und sagte bescheiden:
"Ich weiß es - ihr lieben Mäusegesichter."

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Es gibt viele Menschen in unserer Gesellschaft, die am Rande stehen.
Nicht gesehen.
Nicht gewollt.

Wir fragen uns, was kann ich tun? -
und sagen uns, Ich kann nichts tun!
Wir denken wir wären nur der Tropfen auf dem heißen Stein.
Na und?!
Wer sagt denn, dass dieser Tropfen nicht auch wohltuend sein kann???
Ich sage das nicht.
Ich will das nicht sagen.
Und Du?

Merke: Es bedarf nicht viel, den Alltag der Menschen mit Farbe zu füllen.

Dienstag, 30. Oktober 2012

Der tägliche Lerneffekt im Umgang mit lahmgelegten Verkehrsnetzten

Wie wunderbar das Leben in der Großstadt, nein Verzeihung, Europastadt doch ist:
Alles was man braucht vor der Tür, immer was los, Leben wo man hinschaut - Und das Wichtigste nicht zu vergessen, ein "ideales" Verkehrsnetz... na Dankeschön!

Wie genau geht man denn vor, wenn in Frankfurt der Strom ausfällt und somit auch die Oberleitungen der Straßenbahnen? Das hat mir doch tatsächlich bisher noch niemand erklärt! So eine Frechheit aber auch!
Wenn einfach nichts mehr geht?
Eine eher geringe Bagatelle.
Könnte man meinen.
Ist es vielleicht auch.
Aber heute, eine Bagatelle, die sich meiner Meinung nach definitiv zur falschen Zeit am falschen Ort vollzogen hat.
Wer mich kennt weiß dass ich nicht wirklich zu Wutausbrüchen neige, doch heute war es soweit... Ich hätte explodieren können. Schlichtweg wütend. Auf wen? Auf was? Das kann ich noch nicht mal so genau sagen. Aber Ich war es. Und wie!
Nach einer Stunde Warterei in der Nässe und Kälte auf den Schienenersatzverkehr, bleibt dann selbst das sanftmütigste Gemüt in der Regel nicht mehr ganz geduldig. Vorbei mit der inneren Ruhe.

Wenn man hierbei noch bedenkt, dass 690.000 Einwohner in Frankfurt am Main leben, und 16:30 Uhr Feierabendverkehr ist, kann man sich das Ausmaß des Fiaskos hoffentlich bildlich vorstellen. Ich stand also tatsächlich nicht einsam wartend darauf nach Hause zu kommen, am Straßenrand (wer hätte das gedacht!?) Auf ca. 300 Metern, tummelten sich mehr oder eher weniger fröhlich, hunderte von Menschen, die in ihren wohlverdienten Feierabend fahren wollten. Schimpferei, Telefoniererei, und Ähnliches umgaben mich und ich konnte mich dem nicht entziehen. Und von Minute zu Minute passierte es - Meine Füße wurden kälter, mein Gesichtsausdruck verzweifelter, die Sehnsucht nach Hause größer, der Hunger lauter und die Laune immer mieser... Zum Schreien! Warum? Ja, das frage Ich mich jetzt auch!
Doch dann geschah folgende Begebenheit: Eine Dame (sie muss wohl Mitleid mit meinem verzweifelt-wütenden Gesichtsausdruck gehabt haben) sprach mich an. Sie wolle ihren Mann anrufen und sich abholen lassen - Und, es wäre ihr eine Ehre mich mitnehmen zu können. Wow!? Ich war so perplex, dass mir gerade noch ein "Sie sind ein Engel" rausrutschte. Es kam wie es kam, der Mann der netten Dame gabelte uns auf, sie brachten mich nach Hause (ohne irgendetwas dafür haben zu wollen!), fuhren weiter und ...da sitze Ich nun.
Zugegeben, als Ich reinkam, musste ich erst mal Dampf ablassen, mich über die "ach so bescheuerte" Verkehrsgesellschaft auslassen, die "blöde" Großstadt klein machen und einfach den totalen Affen machen. Wie dumm kann man denn sein??? Ein Hoch auf meinen ausgeglichenen Mitbewohner, der das mit Humor nimmt und mich machen lässt.

Aber jetzt mal ehrlich, wie dumm kann man eigentlich sein???
Wenn wir in unserem Alltag etwas erleben (wie auch immer das aussehen mag), welche Aspekte nehmen wir davon mit und geben an unseren Nächsten weiter? Die Wut über die Kälte und das Warten, oder die Freude darüber, dass es Menschen gibt, die unseren Tag bereichern? Menschen, die einen Blick für ihr Umfeld haben und uns mitnehmen? Wir müssen bedenken, dass wir prägen, auch mit Stimmungen und unserem Gemütszustand. Wir können Menschen runterreißen, oder wir heben sie mit auf. Das dürfen wir nicht vergessen.

Ein Lerneffekt aus dem heutigen Tag: Ich will das Positive in den Vordergrund schieben, mich an den Wundern des Tages freuen und die Steine liegen lassen.

Wir dürfen das Leben anlächeln!
Lächelst Du mit?

Dienstag, 23. Oktober 2012

Von kleinen Schritten, zu imposanten Bauwerken

"Große Schritte bringen uns zwar schnell voran,
aber die kleinen Schritte sind es, die uns oft weiter bringen."
(Anke Maggauer-Kirsche)

Wer hat Ihn nicht manchmal, seinen ganz persönlichen Anflug von Größenwahn?
Der eine zum Beispiel möchte sich gerne in unendlichen Reichtümern materieller Art suhlen um dabei seine persönlichen Bedürfnisse nach Gier zu stillen. Ein anderer möchte durch sein exotisches Sein in herausragender Weise auffallen um nicht runterzufallen. Oder es gibt auch jene, die durch besonderes Hervortun in bestimmten Lebensweisen, ihren Selbstwert zu maximieren versuchen.

Gerade musste Ich darüber nachdenken, was meine persönlichen Antreiber im Alltag sind, gewisse Dinge zu tun und gewisse Dinge besitzen zu wollen. Natürlich sollte man auch groß denken, mutig sein, vorangehen, sich etwas wagen, aber bedeutet nicht gerade das Kleine oftmals das Große?

Vielleicht kennst Du das Gefühl, dass Du nur wer bist, wenn Du dich offen besonderer Eigenschaften rühmen kannst oder Du großes Lob und Anerkennung von den Menschen um Dich herum erntest. Vielleicht ist es bei Dir aber gerade auch anders rum und Du denkst Du seist niemand. Du kannst nichts und das was Du tust hat keinen Wert. Wer bemerkt schon Deine Leistungen? Wer bemerkt Dich?

An dieser Stelle möchte Ich einen kurzen Gedanken von Paulo Coehlo weitergeben, den Ich in seinem Buch "Sei wie ein Fluss, der still die Nacht durchströmt" gefunden habe:

Manchmal sehen wir im Fernsehen Einweihungen von Tunneln, Brücken oder anderen gewaltigen Bauwerken. Normalerweise läuft das folgendermaßen ab: Viele lokale Berühmtheiten und Politiker stellen sich in einer Reihe auf, und in der Mitte steht der Minister oder örtliche Gouverneur. Dann wird ein Band durchgeschnitten, und wenn die Bauleiter in ihre Büros zurückkehren, finden sie dort Briefe der Anerkennung und Wertschätzung vor.
Die Leute, die diese Tunnel und Brücken tatsächlich gebaut, welche die Hacken und die Schaufeln in die Hand genommen haben, die bei der Arbeit im Sommer in der Hitze schwitzten, im Winter in der Kälte schlotterten, die bekommt man nie zu sehen. Es sieht so aus, als kämen diejenigen, die nicht im Schweiße ihres Angesichts geschuftet haben, diejenigen die treu im Hintergrund ihre Arbeit taten, besser weg.

Merkst Du was?

Glaubst Du die imposanten Bauwerke stünden, gäbe es nicht die Menschen, die nicht vorne im Rampenlicht stünden und einfach nur Ihre Arbeit täten? Einfach nur handeln, wie es gerade anfällt?




Paulo Coehlo schreibt weiter:
Ich will nie aufhören, jemand zu sein, der die Gesichter sieht, die nicht gesehen werden, die Gesichter derer, die weder Ruhm noch ehre suchen, die schweigend die Rolle spielen, die das Leben ihnen zugewiesen hat.
Ich möchte das können, weil die wichtigsten Dinge - die, die unser Leben formen - niemals Ihr Gesicht zeigen.

Wir alle formen an etwas. Vielleicht nicht unbedingt eine Brücke oder einen Tunnel, aber etwas anderes von unendlichem Wert. Wir formen den Tag der Menschen, die uns begegnen, so zum Beispiel die Hoffnung im Herzen derer die verzweifelt sind, indem wir sie trösten. Oder wir formen die Gerechtigkeit, indem wir nicht weggucken.
Wir formen sogar unseren eigenen Tag mit unserer Einstellung zu unserem Tun. Und das Wichtigste, wir formen unserer Welt.

Ich persönlich neige dazu, alles tun zu wollen, Große Dinge zu bewegen - Ja, die Welt zu verändern. Ich liebe Geschichten von mutigen Menschen, bewundere die Friedensnobelpreisträger, die aus dem Glauben an etwas gehandelt haben. Biographien großer Persönlichkeiten haben von je her eine magische Ausstrahlung auf mich.
Aber letztendlich ist es doch nicht nur das, was zählt.
Ich möchte einfach weiter meinen Tag gestalten mit dem, was mir vor die Füße fällt - auch wenn das bedeutet, Dinge zu tun, die mir wertlos scheinen.

Was heißt es denn schon ein freundliches Wort für die Trinker an dem Brunnen übrig zu haben?
Es heißt eine Menge! - das ist nämlich einer jener kleinen Schritte, die unser Leben (und dazu noch das vieler anderer!) nach vorne bringen.


Samstag, 6. Oktober 2012

Viel Neues und der Schritt zu einer Kultur der Mitmenschlichkeit

Viel zu lange habe Ich mich nun nicht mehr gemeldet.
Nicht, dass es mir an kreativen Gedanken, inspirierenden und bewegenden Begegnungen mangeln würde, oder mein Leben sonst wie eingeschlafen wäre - nein das nicht.
Aber ganz im Gegenteil, mein Leben war die letzten Monate sehr aktiv, voller Veränderung und mit lauter Neuem bestückt. Daneben gab es noch die nötigen Verpflichtungen des Lebens, wie Examensklausuren und Kolloquium. Ja, meine Zeit am Bibs hat sich dem Ende zugeneigt und ich bin über die Zielgerade gelaufen. Das Lernen, das Prägen, die Gemeinschaft, die Vision, die mich das Bibs die letzten Jahre gelehrt hat, all das fehlt mir - aber hat mein Leben bis hier hin bereichert und wird es auch weiterhin begleiten. Menschen, Worte und Gedanken, die das Herz erreicht haben, wird man so schnell nicht wieder los. Mit dem Abschied vom Bibs, gab es auch einen Abschied von Marburg. Zwar werde Ich über das kommende Jahr verteilt noch für vier Blockwochen am Bibs und somit auch in Marburg sein, aber es wird nicht mehr das Selbe sein. Die Gemeinschaft, das Leben teilen, das gegenseitige Prägen, ist für mich in eine neue Lebensphase übergegangen. Doch bin ich dem Bibs von Herzen dankbar für alles was es mich auf einer für mich sehr wichtigen Strecke meines Lebens gelehrt hat. Die Verbundenheit wird bleiben.

Gleichzeitig habe Ich einen neuen Platz, eine neue Aufgabe gefunden:
Frankfurt am Main!

Ich arbeite für mein Berufspraktikum in einer aufgeteilten Stelle in einer Einrichtung in einer der sozial benachteiligsten Stadtteile Frankfurts. Überwiegend arbeiten wir mit Familien aus dem Migrationshintergrund. Auf der einen Seite liegt meine Aufgabe in einer Kindertagesstätte, die sehr darum bemüht ist Kinder individuell zu fördern und in einem Resilienz-Projekt stark zu machen. Dabei wird ganzheitlich gearbeitet, das heißt die ganze Familie wird in den Blick genommen. Es gibt ein tägliches Elterncafé in dem Deutschkurse angeboten werden und Sozialberatung stattfindet.
Der andere Teil meiner Arbeit liegt in der aufsuchenden Jugendarbeit. Hier bieten wir ein offenes Angebot für die Jugendlichen aus der Umgebung an, aber auch Projekte und Ähnliches. Es gibt Kurse, wie Anti-Aggression-Übung, oder Bewerbungstraining.
Bei aller Herausforderung, macht die Arbeit mir sehr viel Freude - Ich habe ein tolles Team, bei dem ich von jedem Einzelnen viel lernen kann und selber auch mein Gelerntes weitergeben kann außerdem liebe Ich meine Kids, Ihre Familien und die Teens!
Seit erst zwei Monaten bin Ich nun hier, aber dennoch schon angekommen...
Auch in Frankfurt an für sich. Natürlich fehlen mir meine Freunde, die um die Ecke wohnen, mein Umfeld in der schönen Stadt Marburg usw. Frankfurt ist einfach riesig, aber ich liebe es! Die Größe, die Atmosphäre, die Vielfalt, die Farbe, das Bunte, das multi-kulturelle, die Menschen - das Leben!

Und doch schreit diese Stadt mich auch an, fordert mich heraus und hinterfragt mich:

"Denise, was willst Du leben? Wie willst Du sein? Wer willst Du sein? Hältst Du an Deiner Vision fest?"

Am Mittwoch, stand ich am Hauptbahnhof um mich mit Freunden zu treffen.


Ich war viel zu früh da. Dabei viel mein Blick auf eine alte Frau. Offensichtlich müde, langsam, einsam. Mit den Händen in den Taschen Ihres alten abgetragenen Mantels, schlurfte sie mit mühseligen langsamen Schritten zwischen den Massen an Menschen hin- und her. Es schien, als würde niemand sie bemerken, beachten. Ein kurzes Stück vor mir blieb sie stehen. So stand sie da mit gesenktem Blick zu Boden und wackelt leicht auf Ihren Beinen. Mein Herz gab mir den Impuls hinzugehen, sie anzusprechen, ihr ein Lächeln zu schenken. Ich wollte, aber ich konnte nicht. Hunderte Menschen pro Minute rennen ohne auch nur einen Gedanken an Mitmenschlichkeit zu verschwenden an dieser Frau vorbei und Ich stehe dort eine viertel Stunde wie gebannt vor Ihr und schaffe es sie nicht anzusprechen und Ihr Mitmenschlichkeit zu zeigen. Wie schlimm!
Auch Ich mache mich verantwortlich an dem sozialen Verfall unserer Gesellschafft, obwohl ich immer wieder predige das man Verantwortung wahrnehmen muss, Nächstenliebe üben muss. Nun bin ich offensichtlich zu einem Mittäter geworden.
Es wäre ein Einfaches gewesen, diese Frau anzusprechen, aber ich habe mich in meinem bequemen leben eingenistet:

"Nein, gleich kommen meine Freunde, wir wollen einen schönen Nachmittag miteinander verbringen. Was denken die anderen Menschen? Bloß nicht auffallen! Und und und..."

Aber so will ich nicht sein! Ich will aufstehen, kämpfen und echt sein - Einen Unterschied machen in dieser Welt! Können wir es nicht einfach gemeinsam tun? Uns gegenseitig ermutigen?
Ich habe mich geschämt. Ich schäme mich immer noch. Als ich mich später noch mal nach der Frau umgesehen habe, war sie leider weg. Zu spät!

Was wir uns bewusst machen sollten, ist das wir den Impulsen unseres Herzen folgen sollten. Das wir uns trauen sollten - das wir was verändern können!
Wie schön das wäre, wenn wir eine Kultur der Mitmenschlichkeit und Liebe in unserer Welt verwurzeln könnten.

Geht Ihr diesen Schritt mit???